Der Wähler in mir

Oder doch: Der Nicht-Wähler?

Ich muss etwas ausholen und auch auf etwas zurückgreifen, das ich vor fünf Monaten an diesem Ort formuliert habe.

Letzteres zuerst: Inhaltlich habe ich dem dort formulierten Statement nichts hinzuzufügen und nichts wegzunehmen. Ich würde es heute vielleicht etwas »weicher« formulieren. Wenn ich in meine persönliche Bundestagswahl-Geschichte zurückblicke – und die reicht bis 1980 zurück, dem Jahr, in dem die Grünen kurz nach ihrer Gründung zum ersten Mal bei einer Bundestagswahl vertreten waren (1,5 Prozent) – dann war ich bei zwölf Wahlen bis auf, glaube ich mich zu erinnern, drei Ausnahmen immer ein »Grüner« gewesen.

Das ist heute definitiv nicht mehr so.

Die Grünen heute, so, wie sie in den Parlamenten und vor allem im Bund vertreten sind, haben einen politischen Weg eingeschlagen, der in wichtigen Aspekten nicht mehr in die Richtung weist, in die ich zu gehen bereit bin. Ich müsste mich von Grundüberzeugungen her in einer Weise verbiegen, die mir nicht möglich ist. Ich kann diesbezüglich also nur auf eine Entwicklung setzen, die ich a.a.O. und einer weiteren, späteren Stelle erwähnt habe.

Vielleicht entwickelt sich ja aus der ausgeschiedenen Grünen Jugend etwas, das wieder kompatibel zu meinem Weg ist. Bis dahin…

O-Maten

Zur anstehenden vorgezogenen Bundestagswahl 2025 gibt es seit gestern wieder den beliebten Wahl-O-Mat und daneben neu den Real-O-Mat.

Spielwiesen mit ernstem Hintergrund, die ich gerne nutze, um auszuloten, wie fern oder nah verschiedene Parteien zu meinen Grund- und themenbezogenen Überzeugungen stehen.

Ich habe vor einigen Tagen irgendwo gelesen, dass es im Ergebnis einen deutlichen Unterschied machen kann, ob man bei Entscheidungspunkten die Option »neutral« wählt oder die Möglichkeit »These überspringen«. Letztere Option sollte gewählt werden, wenn einem eine These egal ist oder man sich nicht entscheiden kann oder will. Die »neutral«-Option wähle man dann, wenn man nicht derart pauschal entscheiden mag, sondern unter bestimmten Voraussetzungen, aufgrund differenzierter Diskussion etc. zustimmen oder ablehnen mag.

Wie sehen jetzt, wie sich das tatsächlich auswirkt. Es heißt also: »Hose runter«, liebe Leser.

Ihr bekommt jetzt die Chance, euch ein Bild davon zu machen, wie euer geneigter Blogger politisch gestrickt ist – mindestens eine Ahnung davon dürftet ihr sowieso schon haben.

Wahl-O-Mat

Optionen »neutral« gewählt (4x)

Wahl-o-Mat, Ergebnis mit viermal "neutral"
Wahl-o-Mat, Ergebnis mit viermal »neutral«

Im ersten Fall habe ich die vier Thesen, in denen ich nicht klar entscheiden konnte, mit »neutral« abgehakt.

Option »These überspringen« gewählt (4x)

Wahl-o-Mat, Ergebnis mit viermal "These überspringen"
Wahl-o-Mat, Ergebnis mit viermal »These überspringen«

Die im ersten Durchgang »neutral« beschiedenen Thesen habe ich in diesem Fall übersprungen. Es gibt recht deutliche Unterschiede in den prozentualen Werten und zwei Parteien haben bei identischem Wert die Plätze getauscht.

Beide Optionen differenziert gewählt

Wahl-o-Mat, Ergebnis differenziert mit viermal "These überspringen" oder "neutral"
Wahl-o-Mat, Ergebnis differenziert mit viermal »These überspringen« oder »neutral«

Im dritten Durchgang habe ich differenzierend entschieden, welche Option ich auswähle. Das hat zusätzlich dazu geführt, dass ich eine weitere Option von »stimme zu« auf »neutral« gesetzt habe und eine andere von »neutral« auf »stimme nicht zu«. Das hat den Gleichstand bei zwei Parteien aufgehoben und wiederum zu einer anderen prozentualen Verteilung geführt – aber zu keiner grundlegend anderen Rangfolge der Parteien.

Jetzt allerdings war erst der Boden bereitet, ein aussagekräftiges inhaltlich gewichtetes Ergebnis zu erhalten:

Differenzierte Optionen, mit inhaltlicher Gewichtung

Wahl-o-Mat, Ergebnis gewichtet und differenziert mit viermal "These überspringen" oder "neutral"
Wahl-o-Mat, Ergebnis inhaltlich gewichtet und differenziert mit viermal »These überspringen« oder »neutral«

Was nun?

Ziehen wir, bevor ich ein Resümee formuliere, den neuen O-Maten hinzu, den

Real-O-Mat

Dieser Thesenbot fragt auf der Grundlage des Abstimmungsverhalten der Parteien zu aktuellen politischen Themen die Übereinstimmung mit unseren persönlichen Position ab. Grundlage sind dabei Anträge und Gesetzentwürfe im Bundestag.

Mein Ergebnis

Real-o-Mat, Ergebnis gewichtet
Real-o-Mat, Ergebnis gewichtet

Das Ergebnis unterscheidet sich doch ziemlich deutlich von dem des Wahl-O-Mat. Warum das so ist, sollte ich womöglich genauer ergründen. Ich setze meine persönliche Gewichtung eher auf den Wahl-O-Mat, da er Positionen und Vorhaben der Parteien für (mindestens) die nächste Legislaturperiode formuliert, wohl wissend natürlich, dass selbst das allergeduldigste Papier nicht so geduldig ist wie Wahlprogramme von Parteien. Deren Verfallsdatum allerdings ist in der Regel der Abend der Wahl, exakt um 18:00 Uhr erreicht.

Trotzdem stecken in ihnen jeweils die Grundüberzeugungen der zur Zeit maßgeblich leitenden Politiker dieser Parteien.

Würde ich meine politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Präferenzen selbst in eine Parteien-Rangfolge bringen, dann läge diese sicher sehr nah am obigen gewichteten Wahl-O-Mat-Ergebnis. Auch das differenzierende, ungewichtete Ergebnis käme dem nah, in beiden Fällen würde ich nur jeweils eine Partei-Position verändern.

Nun zum (nicht ganz so) kurzen Ausholen, das ich eingangs versprach.

Wahl-Optionen

Wenn zu einer Wahl n Parteien aufgestellt sind, dann habe ich grundsätzlich immer n+1 gleichrangige Möglichkeiten zu wählen. Das +1 ist die Möglichkeit, nicht zu wählen. Allerdings gibt es für mich Gleichrangigkeit nur grundsätzlich, also theoretisch. Praktisch schließe ich – für mich – Parteien absolut als unwählbar aus, die eine oder andere vielleicht auch nur temporär, abhängig von deren weiterer Entwicklung. Keine Stimme abzugeben ist für mich – und war es auch tatsächlich schon – jederzeit eine echte Option. Parteien bei einer Wahl sind für mich ein Angebot. Mehr nicht.

Aber dieses Thema habe ich inzwischen fast 45 Jahre lang immer wieder diskutieren müssen, ohne dass mir ein wirklich überzeugendes und maßgebliches Argument gegen diese Option begegnet wäre. Es gibt gute Argumente, aber ich kann und darf jederzeit meine Entscheidung abwägen.

Jedenfalls habe ich mich entschieden, in zwei Wochen wohl doch meine Stimme zugunsten einer Partei an der Wahlurne abzugeben. Das steht dann sicher gegen einen Teil meiner Überzeugungen und ist insofern ein Stück weit taktisch, aber sei’s drum. Es ist eine Option, dazu beizutragen, dass eine Partei den Sprung über die Sperrhürde schafft. Diese Option erschloss sich mir aufgrund verschiedener Überlegungen in den letzten Tagen und nicht zuletzt auch aufgrund der diese Überlegungen stützenden Ergebnisse meiner Wahl-O-Mat-Befragung.

Welche Partei dies sein könnte, sollten vor allem regelmäßige Leser dieses Blögchens, auch unter Zuhilfenahme des eingangs verlinkten früheren Artikels, möglicherweise erschließen können.

Ergänzung am 08.02.2025

Wie ich gerade beim Horst 1 (dem ich bei seiner Entscheidungsfindung irgendwie gar nicht helfen kann) erfahre, gibt es noch einen weiteren Check-O-Maten, den ich mal befragen (bzw. beantworten) kann:

Kandidierendencheck

(von abgeordnetenwatch.de)

Ich mache ja irgendwie gerne solche Fragespielchen.

Hier werden meine Standpunkte zu bestimmten aktuellen Thesen mit denjenigen von Wahlkreisabgeordneten (nach PLZ) der verschiedenen Parteien abgeglichen.

Gerade habe ich diesen Abgleich einmal gemacht und das Ergebnis ist einigermaßen konsistent mit dem des Wahl-O-Mat. Das beruhigt mich einigermaßen, zeigt es mir doch, dass meine Standpunkte tatsächlich irgendwo im Parteienspektrum verortet sind – bei durchaus einigen ziemlich fundamentalen Differenzen allerdings.

Aber die liegen so, dass ich sie auch einmal beiseite schieben kann, weil sie zur Zeit nicht so arg ins (tagespolitische) Gewicht fallen.


  1. Warum jetzt allerdings der Horst in seinem Blog die Kommentarfunktion abgeschaltet hat und er – wie er schreibt- auch selbst nirgendwo mehr kommentieren wird, entzieht sich grundsätzlich meinem Verständnis. ↩︎

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