Unions-Erinnerungen

Lust auf eine kleine Episode aus meinem Leben, tatsächlich sogar mit einer gewissen politischen Implikation? Eine kleine und wahre Geschichte aus meiner Jugend – eine Episode aus der Oberstufenzeit. Gruselig, aber durchaus aus aktuellem Anlass.

Um 1980 herum. Gymnasiale Oberstufe im BIKUZ Höchst (heute Friedrich-Dessauer-Gymnasium). Ich in Stufe 12. Wir hatten eine recht große Cafeteria, in der wir uns schon recht angenehm aufhalten konnten. Der Kaffee war billig und von mäßiger Qualität, trübte deswegen aber kaum unseren Spaß am Doppelkopf- oder Skatspielen, wenn Freistunden uns die Möglichkeit dazu boten. Und das war nicht unbedingt selten. (Ja, ich weiß, was mancher von euch jetzt denkt — und recht damit hat)

Es begab sich eines Tages etwas, das mir auffiel. Es fiel mir sogar schon längere Zeit auf. An einer Seite eher im Bereich des Eingangs dieser Cafeteria befanden sich zwei Türen in einen abgetrennten Nebenraum, der für diverse Sitzungen und Treffen genutzt wurde.

Während unserer Kartenspiel-Runden fiel mir also irgendwann auf, dass sich ab und zu – in welcher Regelmäßigkeit, weiß ich heute nicht mehr – eine ganze Reihe junger Männer etwa meines Alters in diesen abgesetzten Versammlungsraum begaben. Ein paar von ihnen erkannte ich als Mitschüler in verschiedenen Kursen, aber keinen von ihnen mit Namen persönlich. Unser ‚Schulsprecher‘ war, glaube ich, auch oft darunter.

Es war vor allem die Kleidung und damit verbunden das auffällig humorlose pseudoerwachsene Gehabe dieser jungen Männer, das auffiel: Zum Teil in grauen Bügelfaltenhosen oder, wenn überhaupt, in bügelfaltigen Jeans, alle mit Hemden, manche mit Pollunder darüber und beigen, grauen oder dunkelblauen Jacken.

Und schwarze Aktenkoffer oder Aktentaschen mit Zahlenschlössern.

Irgendwann fragte ich in unsere kleine Runde, was denn diese auffällige Prozession seltsamer Vögel darstellen sollte. Einer der Kumpels antwortete lapidar:

»Diese Heinis? Die sind von der Schüler-Union. Die haben da ihre Versammlung«

Ich so: »Ähh… was ist die Schüler-Union?«

Kumpel: »Die Jugendorganisation der Jungen Union.«

Ich dann: »Ah, alles klar! Deswegen diese gruseligen Outfits«

Kumpel: »Du musst mal hören, was die für einen reaktionaren Scheiß schwätzen. Das ist noch viel gruseliger!«

So war es tatsächlich. Auch in unserer Schule gab es natürlich in dieser Zeit politische Diskussionen. Es gab politisch engagierte junge LehrerInnen, es gab die Friedens- und Umweltbewegung, es gab die Startbahn 18 West des Frankfurter Flughafens. Und diese »Jungs« zeigten sich schon ab und zu mal ganz offen im Unterricht wie in Diskussionen in kleineren Runden in der Cafeteria, außerhalb ihrer Versammlungen — mit den Ansichten und Überzeugungen ihrer Großväter!

Für mich war das schlicht ein reaktionärer Nachwuchskader der CDU, das versammelte organisierte Weltbild von Vorgestern.

Erst später an der Uni, wo mir solche Gestalten erneut begegneten, als BWL- oder Jurastudenden und in unveränderter Optik und Ausstattung, wurde mir wirklich klar, dass das die Kaderschmieden der politischen Rechten beim Aufstieg in der Parteihierarchie waren – und heute noch sind. Denn:

Diese Männer gibt es heute noch, erwachsen, sie gehen heute wie damals – starr und unveränderlich im Welt- und Gesellschaftsbild – aus genau solchen Jugendlichen und jungen Männern hervor, wie ich sie schon um 1980 beobachten konnte. Sie sehen sogar genau so aus.

Warum das?

Warum habe ich euch diese kleine Erinnerung aus meiner späten Jugend, meinem frühen Erwachsenenleben erzählt? Aus einer Zeit, in der immerhin junge Menschen meiner Generation auf ihre gemäße Weise die Nachfolge der 68er-Bewegung antraten und gesellschaftliches Bewusstsein entwickelten?

Und

Und

Inzwischen scheint sich, ausgehend von den USA für das immer sonderbarer werdende Verhalten der extremen Rechten (Trump und größte Teile der öffentlich auffälligen Vertreter der GOP im Wahlkampf) der äußerst treffende Begriff WEIRD zu etablieren (für sonderbar, absonderlich, schräg, wirrköpfig, abweichend, schrullig u.ä.). Und nicht nur dort – auch hier lässt sich dieses neu beschriebene Phänomen der »WEIRDNESS« beobachten, vor allem bei der Rechten. Auch hier besonders beim öffentlich auffälligen, prominenten Teil. In Deutschland. In Hessen. (Hatte ich Bayern schon genannt?)

Das passt doch perfekt in den Kontext dieses Beitrags, oder?