Das 2G-PLUS-Dilemma

Seit gestern, 17.01.2022 gilt auch an meinem Arbeitsort für Besucher die für Hessen verschärfte 2G-PLUS-Regelung. Dies bedeutet, aus unsäglichem Verordnungs-Deutschgewürge von Juristen für Juristen in verarbeitbares Deutsch übersetzt:

Wer darf rein?

  • Doppelt geimpft und getestet
  • Genesen und getestet
  • Dreifach geimpft (geboostert)
  • Genesen und doppelt geimpft
  • Doppelt geimpft und genesen
  • Geimpft, genesen, geimpft
  • Frisch doppelt geimpft (max. 3 Monate ab dem Tag der Zweitimpfung)
  • Frisch genesen (max. 3 Monate ab dem Tag des positiven PCR-Tests)
  • Genesen + frisch einmal geimpft (max. 3 Monate ab dem Tag der Impfung)

(Stand: 17.1.2022, Quelle: Hessische Staatskanzlei, Link zum PDF)

Wie kann ich als derjenige, der die Eintrittsberechtigung gemäß geltender Verordnung prüfen muss, nun diese Prüfung durchführen?

Ich nehme vorweg: Im Zweifelsfall GAR NICHT!

Warum?

Nun, dem Besucher steht es frei, mir seine geeignete Zertifizierung auf verschiedene Art vorzulegen:

  • Digital via QR-Code in der COV-PASS-App oder der Corona-Warn-App
  • Digital mittels Apotheken-QR-Kärtchen
  • Digital mittels QR-Code auf dem ausgedrucktem Zertifikat
  • Analog mit dem gelben Impfpass

Die genannten Möglichkeiten sind rechtlich gleichwertig – und ich kann nicht verlangen, dass der Besucher mir seinen Status auf eine von mir bevorzugte Art vorzeigt.

Mir gegenüber haben sich bisher die weitaus meisten Besucher mit dem QR-Code in der COV-PASS-App oder der Corona-Warnapp ausgewiesen. Das sieht dann so aus:

QR-Code in der COV-PASS-App
Prüfbildschirm der COV-PASS-App

Dieser per Smartphone vorgelegte QR-Code ist nun mit Hilfe der COV-PASS-CHECK-App oder der Corona-Warnapp zu prüfen. Das führt zu folgendem Ergebnis:

COV-PASS-CHECK-App Zertifikat geprüft
Geprüft mit der COV-PASS-CHECK-App

Jetzt muss ich im Vergleich mit den Angaben auf dem zusätzlich vorgelegten Personalausweis checken, ob die Person vor mir wirklich der Zertifikatsinhaber ist. So weit, so gut.

Fällt etwas auf?

Nun, ich kann überhaupt nicht erkennen, welchen Impf-, Genesenen- oder Teststatus der Besucher hat! DAS wird nämlich bei dieser Prüfung gar nicht ausgewiesen. Aus Gründen des Datenschutzes.

Ich kann also gar nicht sehen, ob der Besucher gemäß der oben dargelegten Vorgaben eintrittsberechtigt ist oder nicht.

Manuelle Prüfung?

Die manuelle Prüfung des digitalen Zertifikats auf dem Smartphone des Besuchers ist allerdings mindestens in einer rechtlichen Grauzone angesiedelt.

Der Besucher klickt also auf der Zertifikats-Anzeige mit dem Finger auf den unteren Button »Zertifikate anzeigen«, was zu folgendem Bildschirm führt:

COV-PASS-App Zertifikate 1
COV-PASS-App Zertifikate 1

Jetzt muss man die Anzeige etwas nach oben schieben, damit die entscheidenen Informationen ins Bild rücken:

COV-PASS-App Zertifikate 2
COV-PASS-App Zertifikate 2

Aber dort – vor der Anzeige der zertifizierten Impfungen (oder Testungen) – taucht der Datenschutz-Hinweis auf, diese Angaben nicht dem Gegenüber vorzuzeigen.

M.a.W., der Besucher MUSS mir gegenüber mit der COV-PASS-App gar nicht seinen Impf-, Test- oder Genesenenstatus ausweisen, und ich habe kein Recht, das zu verlangen.

Da dieses Dilemma ausschließlich auf mangelhafte Aufgabenerfüllung seitens der zuständigen Regierungsstellen zurückzuführen ist, kann ich dem Besucher tatsächlich nicht den Zutritt in unser Haus verwehren, denn er ist ja völlig schuldlos.

Eine Lösung? Nein, keine Lösung!

Netzpolitik.org weist in einem ausführlichen Artikel zum Thema auf dieses Dilemma hin, das zur Zeit offensichtlich nicht auflösbar ist! Laut Bundesregierung ist eine entsprechende Änderung in der COV-PASS-CHECK-App aufgrund der entgegen stehenden Datenschutzproblematik nicht vorgesehen.

Offenkundig weist (auch) die neue Bundesregierung im Falle der Zertifikatsprüfung bei Impfungen, Tests und Genesenenstatus eine ausgesprochene Handlungs- und Regelungs-Inkompetenz auf.

Es werden schlicht immer schärfere Regelungen erlassen, deren Einhaltung zunehmend und am Ende überhaupt nicht mehr rechtskonform prüfbar sind.

Wie bitte soll ich eigentlich Vertrauen in die Kompetenz von Ministern, Regierung und Parlament haben, mit der Corona-Pandemie zum Schutz aller Bürger rechtssicher und wirksam umzugehen? (Wobei eine Lösung dieses Dilemmas gemäß Netzpolitik.org tatsächlich relativ einfach machbar wäre… siehe im verlinkten Artikel)

Nachtrag:

Im Gegensatz zu mir in meinem Job hat die Gastronomie mit dem geschilderten Regelungs- und Kontrollschwachsinn wirklich existenzielle Probleme. Die Inkompetenz und die mangelnde Bereitschaft der Regierung zu vernünftigen Regelungen und Überprüfungsmöglichkeiten bringt einen ganzen Berufsstand an den Rand des Ruins.

Ich frage mich, was soll diese Detail-Regelungswut eigentlich bringen? Die Infektionszahlen reduzieren? Sorry, aber ich lache gerade mal… … das muss man schon unbedingt glauben wollen.

In meinen Augen ist schon 2G-PLUS reiner Aktionismus und diese hessischen Detail-Regelerweiterungen fügen diesem Aktionismus bestenfalls noch eine alberne Note hinzu.

Nachtrag 2:

Eben gerade lese ich, dass es aktuell ein Update 2.16.1 der Corona-Warnapp geben wird, das den beschriebenen Unsinn wenigstens ein Stück weit bereinigen soll – aber eben auch noch nicht vollständig und lückenlos. Das wird allenfalls ein Pflästerchen sein, das den groben Unfug der aktuellen Regelungswut bestenfalls etwas kaschieren kann. An der politischen Pleite der Gesamtsituation wird sich dadurch nichts ändern.

Kommentare

Eine Antwort zu „Das 2G-PLUS-Dilemma“

  1. Gigantische Leistungen, die sich offenbaren. Das Thema mit den Kombinationen war sogar bei Illner ein Thema. Ich habe bisher nur die Corona-App verwendet. Beim Scannen der QR-Codes gab es sowohl bei meiner Frau als auch bei mir Probleme. Lag bestimmt am Drucker der Apotheke 🙂

    Im Moment ist die Verkürzung auf 3 Monate für Genesene ja das Thema im Internet. Da hat Lauterbach und das RKI sich keinen Gefallen getan. Der Spiegel hat dazu einen guten Artikel veröffentlicht.

    P.S.: Claudia hat deinen Artikel übrigens verlinkt.